Buchtipp

Vom Ende der Einsamkeit.

Jules und seine Geschwister Liz und Marty müssen den Tod ihrer Eltern verkraften. Jeden prägt das schlimme Ereignis auf seine Weise. Benedict Wells erzählt in seinem vierten Roman eine berührende Geschichte über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit.

„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich“. Es ist ein großer Satz mit dem Benedict Wells seinen vierten Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ beginnt – und der die Stimmung vorweg nimmt, die sich über alle Seiten hindurch zieht. Sein Buch ist schwer und leicht zugleich, Trauer und Glück stehen dicht beeinander. Es ist eine Familienstory im Stil eines Entwicklungsromans, die mit der Gegenwart beginnt und dann konsequent aus der Vergangeheit heraus erzählt wird.

Es gibt Leserstimmen, die sagen, dass sie dieser Roman zum Weinen gebracht hat. Was sagst du dazu?

Auch wenn ich es vielleicht nicht zugeben sollte: Es freut es mich natürlich. Ich wollte etwas schreiben, was den Leser berühren kann, aber auch etwas, was ihm am Ende Hoffnung gibt. Falls das beim oder anderen geklappt hat, macht mich das sehr glücklich. Für das Ende von Fast genial wollten mir damals viele – ich zitiere – »eine reinhauen« oder mich gleich erwürgen, da finde ich die Reaktionen jetzt natürlich ein bisschen schöner.

Wie bist du auf dieses große und ernste Thema gekommen?

Das entwickelte sich beim Schreiben. Als ich mit dem Roman begann, war ich noch vierundzwanzig und dachte, ich würde das Thema Tod wie bei den bisherigen Büchern ironisch brechen. Doch je älter ich wurde und je weiter ich in der Geschichte vorankam, desto stärker wurde mir bewusst, dass das nicht mehr gehen würde. Und dass ich es auch nicht mehr wollte. Auch wenn ich keine Waise bin und ein sehr liebevolles Verhältnis zu meinen Eltern habe, sind die Themen des Buchs – Veränderung, Einsamkeit und Verlust – meine Themen, nur eben anders erlebt. Mich hat zudem immer fasziniert, wie fragil ein Lebensweg ist, wenn an bestimmten Momenten nur ein paar Rädchen nicht ineinandergreifen. Wie manche Entscheidungen und Ereignisse dafür sorgen können, dass man ein völlig anderer Mensch, wird als man gedacht hat, mit anderen Empfindungen, Träumen und Eigenschaften. Und ob und wie sich diese Entwicklung umkehren lässt.

Wie lange hast du an diesem Roman gearbeitet?

Am Ende waren es fast sieben Jahre. Die Idee kam mir irgendwann 2008, und so schrieb ich lange abwechselnd an Fast genial und Vom Ende der Einsamkeit, wobei Letzteres deutlich mehr Zeit in Anspruch nahm. Die Handlung geht über fünfunddreißig Jahre, ich musste eine völlig andere Sprache verwenden als bisher, als Schriftsteller quasi alles neu lernen. Das habe ich aber auch gesucht, ich wollte mich verändern. Anfangs hatte der Roman ca. achthundert Seiten, doch mir war wichtig, dass die Geschichte dicht erzählt ist. Ich kürzte dann nach und nach auf dreihundertfünfzig Seiten und habe dauernd überlegt, wo man am besten die Schnitte setzt. Ich wollte mir diesmal einfach so viel Zeit nehmen wie nötig, und alles tun, was ich konnte.

Wie kamst du auf den Titel deines Romans?

Zum einen glaube ich, dass Einsamkeit etwas ist, was viele umtreibt. Man spricht nicht gern darüber, vielleicht nicht mal vor sich selbst, aber ich glaube, dieses Gefühl wird von vielen empfunden, zumindest in manchen Momenten. Vor Jahren sprach mich schließlich ein Journalist darauf an, dass am Ende meiner bisherigen Romane der Protagonist immer einsam ist. Ich war im ersten Moment völlig baff, das war mir überhaupt nicht bewusst gewesen. Und dann sagte ich zu ihm: »Ja, aber bei dem Buch, an dem ich gerade schreibe, wird es anders sein. Da geht es um das Überwinden von Einsamkeit.« So kam ich auf den Titel.

Buch: Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit. Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2016, 368 Seiten.

Quelle Interview: Diogenes Verlag