Interview

Frühaufsteher gegen Langschläfer

Till Roenneberg ist Chronobiologe am Institut für Medizinische Psychologie an der LMU München. Er beschäftigt sich mit den schädlichen Folgen von unregelmäßigen Wach- und Schlafphasen. Im Interview mit der SZ äußert er sich zum Thema Zeitumstellung.

Spring forward, fall back, heißt der englische Merksatz zur Zeitumstellung. Nun könnte der Wechsel von Sommer- und Winterzeit in der EU bald abgeschafft werden. In einer europaweiten Umfrage haben sich mehr als 80 Prozent der Teilnehmer gegen die Zeitumstellung ausgesprochen, die meisten sind für eine dauerhafte Sommerzeit. Von den mehr als 500 Millionen Menschen in der EU haben sich 4,6 Millionen beteiligt.

SZ: Von den 4,6 Millionen Teilnehmern waren mehr als drei Millionen aus Deutschland. Wie erklären Sie sich diese unverhältnismäßig hohe Beteiligung?
In Deutschland kämpfen die Langschläfer gegen die Frühaufsteher. Die beiden nehmen sich als Gegenspieler wahr, obwohl sie gar keine sind. Man kann ja auch lange schlafen, wenn man einfach früher ins Bett geht. Eulen rufen auf, bei der Umfrage mitzumachen: „Die spießigen Frühaufsteher wollen, dass wir alle eine Stunde früher in die Arbeit gehen!“ Und die Lerchen rufen zur Solidarität auf, nach dem Motto: „Da müssen wir gegenhalten. Die faulen Langschläfer wollen uns den langen Abend stehlen.“ Ich kann mir vorstellen, dass deswegen die Beteiligung so hoch ist.

Sie finden: Weg mit der Sommerzeit?
Ich mag den Begriff nicht, aber ja. Man sollte so wenig wie möglich an der Natur herumjustieren, weil wir noch nicht alles in seiner Komplexität verstehen. Wir müssen jetzt schon zwei bis drei Prozent des Bruttosozialprodukts dafür ausgeben, dass wir nicht richtig schlafen.

Wieso fällt es uns so schwer, die Konzepte Zeitumstellung und Zeitzonen zu begreifen? Viele können sich nicht mal merken, ob die Uhr vor- oder zurückgestellt wird.
Unser Gehirn kann Uhrzeit nicht gut verarbeiten, es will Ereignisse. Geht die Sonne in Deutschland oder in Spanien früher auf? In Deutschland! Das ist ein Ereignis, das kann man sich gut vorstellen. Alle Überlegungen, wer früher mit dem Sonnenstand dran ist und wo es später ist, sind für unser Gehirn verwirrend.

Das gesamte Interview ist am 29. August 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschienen. Autorin: Nora Reinhardt, SZ.de