6 Fragen zur EKT

Energiewende.

Manchmal ist eine Depression so schwer, dass selbst lange und intensive Behandlung mit Psychotherapie und Medikamenten kaum Besserung bringt. Hier kommt die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ins Spiel. Elektro…was?

Wir haben bei David Zilles-Wegner nachgefragt. Er ist Psychiater und EKT-Experte an der Universitätsmedizin Göttingen.

Mal ganz auf Anfang: Was hat es mit dieser Behandlungsmethode auf sich?
Bei der EKT wird unter einer kurzen Narkose und Muskelrelaxation mittels elektrischer Stimulation ein generalisierter Anfall ausgelöst. Es kommt dabei zu einer synchronen Entladung der Nervenzellen des Gehirns, die meist etwa 30–60 Sekunden andauert und spontan wieder beendet wird. Durch die EKT werden viele unterschiedliche Veränderungen auf zerebraler und systemischer Ebene angestoßen, die letztlich den antidepressiven Effekt vermitteln.

Welche Vorurteile musst du besonders häufig ausräumen?
Oh je, wo soll ich da anfangen. Im Ernst, das kommt ganz darauf an. Es ist zunächst für viele Menschen, egal ob Laien, Patienten, Angehörige oder medizinisches Personal, eine seltsame Vorstellung, eine komplexe Erkrankung wie die Depression mit all ihren biologischen, psychologischen und sozialen Einflüssen mit elektrischem Strom und Krampfanfällen behandeln zu wollen. Ein anhaltendes Vorurteil ist etwa, dass die EKT zu einer Schädigung des Gehirns und ‚Gedächtnisverlust‘ führt. Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass als Nebenwirkung auftretende Gedächtnisstörungen kurzfristig und vorübergehend sind und die EKT gerade nicht zu einem Verlust von Nervenzellgewebe führt; vielmehr konnte konsistent eine Zunahme von grauer Substanz in spezifischen Hirnregionen gezeigt werden. Neuroplastische Prozesse werden daher auch als ein Wirkmechanismus der EKT angesehen.

Wie genau läuft eine EKT-Behandlung ab?
Die Behandlung wird durch Ärzte und Pflegekräfte der Fachgebiete Psychiatrie und Anästhesiologie begleitet. Nach Aufklärung und Einwilligung erhalten die Patienten meist drei Behandlungen pro Woche, die Akutbehandlung besteht aus 10–12 einzelnen EKTs. Vor den Behandlungen bleiben die Patienten nüchtern. Es erfolgt ein Monitoring von EKG, Sauerstoffsättigung und EEG-Ableitung. Für die kurze Zeit der Narkose und Muskelentspannung erfolgt eine Beutel-Masken-Beatmung. Über zwei Elektroden im Stirnbereich wird dann über das EKT-Gerät für maximal acht Sekunden elektrischer Strom appliziert und so ein generalisierter Anfall ausgelöst, der im EEG sichtbar ist und meist nach 30–60 Sekunden spontan endet. Die Patienten werden anschließend für weitere 20–30 Minuten am Monitor überwacht und können dann auf die Station zurückkehren.

Was ist das Besondere an der EKT als Therapieverfahren?
Gegenfrage: was an der EKT ist nicht besonders? EKT wirkt in vielen Fällen besser und schneller als andere Therapien. Sie hat einen denkbar unspezifischen Wirkmechanismus und vermutlich gerade deshalb eine sehr breite therapeutische Effektivität. Es gibt kein anderes Therapieverfahren, das gleichzeitig gegen Depression, Manien, Psychosen, Katatonien sowie in einigen Fällen auch bei Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit verschiedensten neuropsychiatrischen Erkrankungen – von der schweren Autismus-Spektrum-Störung bis zur Demenz – wirksam ist. Dabei ist die EKT natürlich nicht als losgelöstes Instrument zu betrachten, sondern sie ist eingebettet in die weiteren Behandlungsbausteine, die das psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfesystem zu bieten hat – von Psychotherapie über Pharmakotherapie bis hin zu psychosozialen Interventionen.

Wie sind die Erfolgsaussichten?
Das kommt auf die untersuchte Stichprobe an. Nimmt man die Gesamtheit aller depressiven Störungen, liegt die Ansprechrate bei etwa zwei Dritteln. Bestimmte Krankheitsmerkmale haben einen Einfluss auf die Ansprechwahrscheinlichkeit. Sind etwa psychotische Symptome vorhanden oder eine ausgeprägte psychomotorische Hemmung, führte die EKT in manchen Studien bei über 90 % der Patienten zu einer Remission, also dem vollständigen Rückgang depressiver Symptome. Liegt bereits eine Therapieresistenz vor, ist die Ansprechrate auf etwa 50 % reduziert, ein guter Grund, Patienten die EKT nicht erst nach Ausschöpfen aller anderen Optionen anzubieten.

Warum hast du dich darauf spezialisiert?
Die EKT hat in vielen Indikationen eine überlegene Wirksamkeit. Zugleich ist sie, trotz zuletzt deutlich steigender Fallzahlen und klarer Leitlinienempfehlungen, zum Teil aus strukturellen Gründen und aufgrund von Vorurteilen in der Versorgung gravierend unterrepräsentiert. Zu erleben, wie Patienten nach manchmal monate- oder jahrelanger erfolgloser Therapie aus schwer depressiven, psychotischen, stuporösen oder katatonen Zuständen herausfinden und in den zwischenmenschlichen Kontakt und die Gemeinschaft zurückkehren können, ist auch für mich persönlich immer wieder zutiefst beeindruckend und auch emotional berührend. Oft erlebe ich die EKT als Wendepunkt in der Therapie, der nachfolgende psychotherapeutische und psychosoziale Therapien erst ermöglicht. Dass diese Therapie als Behandlungsoption möglichst vielen Patienten zur Verfügung steht, ist für mich ein wichtiges Ziel meiner klinischen und wissenschaftlichen Arbeit.